Eine der wirkungsvollsten Techniken ist “Show, don’t tell”. Ich bin mir sicher, du hast von dieser Regel schon gehört. Fast könnte man meinen, es wäre das 1. der 10 Gebote für Schreibende. In diesem Artikel erkläre ich dir, was hinter dieser Methode steckt, wann du sie anwenden solltest und wann es sinnvoll ist, direkt zu erzählen.
Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet “Show, don’t tell”?
“Show, don’t tell” ist eine moderne Erzähltechnik, die darauf abzielt, den Lesenden durch anschauliche Beschreibungen, Handlungen und Dialoge in die Geschichte hineinzuziehen, anstatt Fakten oder Gefühle zu präsentieren. Diese Methode hilft dabei, eine tiefere Verbindung zwischen Lesenden und der Geschichte zu schaffen, indem sie es ermöglicht, Ereignisse und Emotionen selbst zu erleben und zu interpretieren. Das Kopfkino springt an und die Geschichte wird lebendig.
Beispiel:
- Tell: Sie war wütend.
- Show: Ihre Augen verengten sich, und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sie spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde und ihr Herz schneller schlug.
Im “Show”-Beispiel kann die Wut der Figur durch ihre körperlichen Reaktionen und Handlungen erkennen und nachempfinden.
Beim “Tell” wird dem Leser direkt gesagt, was passiert oder wie sich eine Figur fühlt. Es ist eine schnelle und direkte Art, Informationen zu vermitteln, die jedoch weniger emotional und eindringlich wirkt.
Beispiel:
- Tell: Es war ein kalter Tag.
- Show: Sie zog ihren Mantel enger um sich, und ihre Atemwolken schwebten vor ihr in der Luft. Die Kälte biss in ihre Wangen und ließ ihre Finger taub werden.
Warum ist “Show, don’t tell” wichtig?
- Lebendige Bilder: Detaillierte Beschreibungen malen lebendige Bilder in den Köpfen der Lesenden.
- Emotionale Tiefe: Leser können die Gefühle der Charaktere nachempfinden und sich besser mit ihnen identifizieren.
- Engagement: Aktives Erleben der Geschichte fesselt die Leser mehr als das bloße Nacherzählen.
Wann ist “Show” sinnvoll?
“Show” ist besonders wirkungsvoll in folgenden Situationen:
- Emotionen: Zeige, wie ein Charakter sich fühlt, durch körperliche Reaktionen, Gesichtsausdrücke und Handlungen.
- Wichtige Szenen: Schlüsselmomente deiner Geschichte sollten detailliert und lebendig beschrieben werden, um ihre Bedeutung hervorzuheben.
- Charakterentwicklung: Durch Handlungen und Dialoge können Charakterzüge, Motivationen und Entwicklungen der Figuren deutlich gemacht werden.
- Atmosphäre und Setting: Beschreibungen von Umgebung und Atmosphäre können den Leser tiefer in die Welt deiner Geschichte ziehen.
Wann ist “Tell” sinnvoll?
Manchmal ist es sinnvoller und effizienter, direkt zu erzählen:
- Übergänge: Kurze, erklärende Passagen können helfen, die Handlung voranzutreiben, ohne den Leser mit unnötigen Details zu überladen.
- Hintergrundinformationen: Fakten und Hintergrundinformationen können oft schneller und klarer erzählt werden, um den Leser nicht zu verwirren oder zu langweilen.
- Pacing: Um das Tempo der Geschichte zu halten und lange, beschreibende Abschnitte zu vermeiden, kann “Tell” nützlich sein.
Rotkäppchen – Zwei Versionen
Wie schreiben wir dieses Show nun und wie wirkt sich das auf den Text aus? Sehen wir uns das doch einmal ganz praktisch an. Ich habe einmal den klassischen Anfang des Märchens “Rotkäppchen” gewählt. Volksmärchen sind überwiegend in Tell erzählt. Sie konzentrieren sich auf das Wesentliche der Geschichte, ohne sich in Nebensächlichkeiten zu verlieren. Sehen wir uns das einmal an …
Tell-Version:
Es war einmal ein kleines süßes Mädchen, das hatte jeder lieb, am allerliebsten ihre Großmutter. Einmal schenkte die Großmutter dem Mädchen ein rotes Käppchen, und weil das Mädchen dieses Käppchen nicht mehr absetzen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen.
Eines Tages sprach ihre Mutter zu ihr: “Komm, Rotkäppchen, da hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein, bring das der Großmutter. Sie ist krank und schwach. Mach dich auf, bevor es heiß wird und lauf nicht vom Wege ab, sonst fällst du und zerbrichst das Glas, und die Großmutter hat nichts.”
“Ich will schon alles richtig machen”, versprach Rotkäppchen ihrer Mutter.
Nun wandeln wir dieselbe Szene um, um sie mit “Show” lebendiger zu gestalten. Es ist nur ein schneller Entwurf. Ich bin mir sicher, du kannst das besser, aber hier geht es nur darum, das Prinzip zu verdeutlichen. Ich verwende Sinneseindrücke, zeige HAndlungen und mache detaillierte Beschreibungen, um Atmosphäre zu schaffen. Also schauen wir uns die Geschichte noch einmal an …
Show-Version:
Die Sonne schien an diesem Morgen sanft durch das Blätterdach, als ein kleines Mädchen mit leuchtenden Augen aus der Hütte am Waldrand trat. Zwei geflochtene Zöpfe lugten unter der roten Haube hervor, die sie jeden Tag trug, seit ihre Großmutter sie ihr geschenkt hatte. Die kräftige Farbe hob sich lebhaft von ihrem dunklen Haar ab und verlieh ihr einen ganz besonderen Charme. Im ganzen Dorf war das Mädchen nur noch als Rotkäppchen bekannt.
Die Vögel zwitscherten fröhlich in den Bäumen, während Bienen und Hummeln zwischen den prächtig blühenden Blumen umher summten. Rotkäppchen blieb einen Moment stehen, und reckte den Kopf der Sonne entgegen, spürte der Wärme auf ihrer Haut nach.
„Mein liebes Kind“, rief ihre Mutter, die hinter ihr über die Türschwelle getreten war.
Rotkäppchen drehte sich um und sah den großen Korb im Arm ihrer Mutter. Der köstliche Duft des frisch gebackenen Kuchens ließ Rotkäppchen das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Ihre Mutter lächelte sanft, als sie sich zu ihrer Tochter hinunterbeugte und ihr eine Strähne aus dem Gesicht strich. „Bring Kuchen und Wein der Großmutter. Sie ist krank und schwach. Mach dich auf, bevor es heiß wird, und lauf nicht vom Weg ab. Sonst könntest du stolpern und das Glas zerbrechen, und die Großmutter hätte nichts davon.“
Rotkäppchen nickte eifrig, ihre Augen glänzten vor Entschlossenheit. „Ich will schon alles richtig machen“, versprach sie, während sie den Korb vorsichtig in die Hände nahm. Ihre Finger strichen über das geflochtene Weidenholz, und sie konnte die Wärme des Kuchens durch das Tuch spüren, das ihn bedeckte.
„Pass gut auf dich auf“, sagte ihre Mutter noch einmal und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Und sei vorsichtig.“
Das Mädchen lächelte und winkte zum Abschied, bevor sie sich auf den Weg machte.
Der schmale Pfad schlängelte sich durch den Wald, und das Zwitschern der Vögel begleitete sie, während sie zwischen den hohen, alten Bäumen entlangging. Sie kannte den Weg gut und sie spürte den Stolz in ihrer Brust, weil ihre Mutter ihr diese Aufgabe anvertraute. Der Duft der Kiefern mischte sich mit dem erdigen Geruch des Waldbodens. Rotkäppchen kannte den Weg gut und war ihn schon oft mit der Mutter gegangen. Was sollte schon schiefgehen?
Merkst du den Unterschied?
Zum einen braucht Show natürlich sehr viel mehr Platz. Die Bilder werden farbiger, detaillierter und es werden mehr Emotionen geweckt. Die Sinne werden angesprochen und die Gefühlswelt der Figuren wird deutlicher als im Tell. Als Leser:in ist man also unmittelbar im Geschehen. Gleichzeitig wird sehr viel Tempo aus der Geschichte genommen. Wenn du z. B. eine wilde Verfolgungsjagd beschreiben willst, wäre Show nicht die richtige Erzählform – dann brauchst du Tempo in der Geschichte.
Wann “Show” anwenden?
“Show” ist besonders wirkungsvoll in folgenden Situationen:
- Emotionen: Zeige, wie ein Charakter sich fühlt, anstatt es nur zu benennen.
- Wichtige Szenen: Schlüsselmomente deiner Geschichte sollten ausführlich und lebendig beschrieben werden.
- Charakterentwicklung: Durch Handlungen und Dialoge können Charakterzüge und Motivationen deutlich gemacht werden.
Wann “Tell” verwenden?
Manchmal ist es sinnvoller und effizienter, direkt zu erzählen:
- Übergänge: Kurze, erklärende Passagen können helfen, die Handlung voranzutreiben, ohne den Leser mit unnötigen Details zu überladen.
- Hintergrundinformationen: Fakten und Hintergrundinformationen können oft schneller und klarer erzählt werden.
- Pacing: Um das Tempo der Geschichte zu halten, kann “Tell” helfen, längere beschreibende Abschnitte zu vermeiden.
Fazit
“Show, don’t tell” ist eine kraftvolle Technik, die deine Geschichten lebendiger und emotionaler macht. Dennoch hat auch “Tell” seine Berechtigung und kann in bestimmten Situationen nützlich sein. Es wäre ein Missverständnis, würdest du dich starr an die Regel halten und nur noch im Show erzählen. Die Kunst liegt darin, die richtige Balance zu finden und beide Techniken gezielt einzusetzen.
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Deine