Figurenentwicklung Teil 1

Figurenentwicklung, starke Charaktere für deine Geschichte

Die Idee zu einer Geschichte kann auf unterschiedliche Art und Weise geschehen. Manchmal ist etwas, was wir gehört oder gesehen haben, manchmal möchte man ein bestimmtes Thema aufgreifen und gelegentlich haben Schreibende schon ganz zu Beginn einzelne Szenen im Kopf. Ganz egal, wie du zu deiner Idee gekommen bist, du brauchst Figuren, die deine Geschichte, dein Thema, zum Leben erwecken. Wie du Figuren entwickelst, die deine Leser und Leserinnen begeistern, mit denen sie leiden, hoffen und sich freuen, das sehen wir uns in diesem Beitrag genauer an.

Figuren erschaffen

Es gibt unzählige Methoden, um Figuren zu entwickeln. Manche Autoren füllen seitenlange Fragebögen aus. Ich halte nicht so viel davon, denn es braucht unglaublich viel Zeit, all diese Punkte, von der Haarfarbe, über Schuhgröße, Hobbys und Kindheitserlebnisse auszufüllen. Am Ende hat man die Hälfte ohnehin wieder vergessen.

Klar, man braucht eine Vorstellung davon, wie die Figur rein äußerlich aussieht. Ich empfehle dir, auf Bilder zurückzugreifen. Stockfotos, Prominente oder auch KI generierte Bilder eignen sich hierzu. Es ist empfehlenswert, eine Figur nicht ausschließlich mit Schönheitsidealen auszustatten. Die hübsche Blondine mit Modelmaßen wirkt mit Cellulite nicht nur authentischer, sondern auch glaubwürdiger.

Weiter geht es mit ein paar Eckdaten, eine Art Lebenslauf. Auch hier gilt: Halte dich nicht unnötig lange damit auf. Wenn es wirklich eine Rolle spielt, ob die Mutter der Protagonistin Geschwister hatte, kann man das während des Schreibens rasch ergänzen.

Jetzt fehlt dir noch die Persönlichkeit und glaube mir, die inneren Werte sind sehr viel wichtiger als das Äußere. Also: Wie tickt deine Figur? Ist sie eher zurückhaltend oder draufgängerisch? Hat sie besondere Vorlieben, Ängste, Hoffnungen und Träume? Welche Macken hat sie und wo liegt ihr wunder Punkt? Diese Fragen sind wesentlich wichtiger als die Frage der Haarfarbe. Um deine Figur näher kennenzulernen, kannst du ein Interview mit ihm oder ihr führen. Das mag seltsam klingen, aber lade deinen Hauptcharakter doch mal zum Tee ein. Du wirst überrascht sein, was er/sie dir alles erzählen. Oder du schreibst eine Szene, in der deine Figur in einem Café sitzt. Mit wem sitzt sie dort? Oder ist sie alleine? Wie fühlt sie sich in der Situation? Bestellt sie Kaffee oder Tee? Beobachtet sie die anderen Gäste? Gibt sie ein großzügiges Trinkgeld oder zählt sie den Betrag auf den letzten Cent ab und warum?

Musst du das jetzt für alle deine Figuren machen? Nein, aber zumindest für die wichtigsten beiden (Protagonist und Antagonist), die wir uns gleich noch einmal genauer ansehen. Deine Nebenfiguren müssen nicht so detailliert ausgearbeitet werden, es lohnt sich aber, auch sie mit einem (überraschenden/einprägsamen) Merkmal auszustatten. Die ältere Oma, die nach dem Enkel hüten, Mortal Kombat auf der Playstation zockt oder der Dealer, der heimlich Gedichte liest.

Hier eine kurze Übersicht über Eigenschaften, mit denen du deine Figuren zum Leben erwecken kannst:

physische Merkmale

Geschlecht, Alter, Größe, Statur, Narben, Allergien, Geruch, Gesten …

soziologische Eigenschaften

soziale Schicht, Beruf, Religionszugehörigkeit, Eltern, Geschwister, Freunde, Einkommen …

psychologische Merkmale

Charakter, die größten Ängste, Stärken, Phobien, Traumata, Intellekt, introvertiert/extrovertiert, ihre Ziele, Humor

Weitere Punkte

Sexualität, Hobbys, Vorlieben, Gesundheitsstatus, Lieblingsessen, Rückschläge, Erfolge …

Dein Protagonist

Der Protagonist ist die zentrale Figur deiner Geschichte. Häufig wird die Handlung aus seiner Perspektive erzählt, und er hat ein klares Ziel vor Augen, das im Verlauf der Geschichte erreicht werden soll. Doch dein Held sollte nicht nur ein strahlendes Ideal sein, er sollte genauso wie wir alle Stärken und Schwächen haben.

Es ist wie bei Superman. Seine übermenschlichen Fähigkeiten machen ihn zu einem mächtigen Helden, doch grünes Kryptonit wirkt wie ein radioaktives Gift, das seine Stärke zunichtemacht – eine Achillesferse, die ihn verwundbar macht.

Die Hauptfigur sollte auf irgendeine Weise Mitgefühl bei den Lesenden wecken. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass sie jedem sympathisch sein muss, aber niemand will seine Zeit mit einem mittelmäßigen und bestenfalls langweiligen Helden vergeuden, dessen Schicksal nicht berührt.

Statte die Hauptfigur mit Tiefe aus und verwende auf sie die meiste Zeit. Die Hauptfigur muss dir so vertraut werden, als würdet ihr euch bereits seit dem Sandkasten kennen. Du kennst die inneren Konflikte, Fehler, die er macht, und ihre Dämonen, gegen die sie ankämpft. All diese Facetten machen den Protagonisten greifbar und menschlich, was es den Lesenden ermöglicht, sich mit ihm zu identifizieren und sich in seine Reise hineinzuversetzen.

Dein Antagonist

Genauso wichtig wie der Held deiner Geschichte ist der Antagonist – der Widersacher, der dem Protagonisten im Weg steht. Ein Antagonist kann eine Person, eine Gruppe oder sogar eine abstrakte Kraft sein. Wichtig ist, dass diese Figur oder Kraft eine Herausforderung darstellt, die es dem Protagonisten schwer macht, sein Ziel zu erreichen.

Ein guter Antagonist ist nicht einfach nur „böse“. Er oder sie sollte genauso komplex sein wie der Protagonist, mit eigenen Motiven, Zielen und einer Hintergrundgeschichte. Ein guter Antagonist ist immer auch der Held seiner eigenen Geschichte. Vielleicht hat er eine vergangene Verletzung erlebt, die sein Handeln beeinflusst, oder er verfolgt Ziele, die aus seiner Sicht genauso wichtig sind wie die des Protagonisten. Wenn du den Film „Joker“ noch nicht gesehen hast, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt.

Wenn du deinen Antagonisten entwirfst, denke über seine Motivation nach. Warum tut er, was er tut? Was treibt ihn an? Welche Hindernisse hat er selbst überwunden? Verleihe dem Antagonisten Tiefe, damit er nicht nur zur Bedrohung wird, sondern auch zu einer faszinierenden Figur für deine Leserinnen und Leser.

Zwei und mehr Protagonisten?

Ja, wenn du einen Liebesroman schreibst, kommt es recht häufig vor, dass die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive der beiden Hauptfiguren erzählt wird. In dem Fall hast du zwei Protagonisten.

Häufig, aber nicht immer, ist einer der beiden zu Beginn der Antagonist. Erinnerst du dich an den Film „E-Mail für dich“? Meg Ryan in der Rolle der kleinen Buchhändlerin, die sich gegen die große Kette zur Wehr setzen muss. Sie verliebt sich ausgerechnet in ihren anonymen Chatpartner, der niemand anderes als ihr erbitterter Konkurrent ist.

Der Antagonist kann ebenso eine Figur sein, die etwas gegen die Verbindung hat. Ein Ex-Partner oder Familienangehörige. Auch gesellschaftliche Normen können antagonistische Kräfte sein, die sich den beiden Liebenden in den Weg stellen.

Es gibt keine feste Regel, kein ungeschriebenes Gesetz, das dir vorschreibt, wie viele Protagonisten deine Geschichte haben darf. Denke einfach mal an George R. R. Martins „Lied von Eis und Feuer“. Allerdings sollte jede Hauptfigur einen eigenen Handlungsstrang zur Geschichte beitragen. Die Geschichte mit einer eigenen Meinung, neuen Informationen oder Erinnerungen bereichern.


Eine weitere Möglichkeit, Figuren zu entwickeln und ihnen Tiefe zu verleihen, ist das Konzept von Defizit, Want und Need. Wie das funktioniert, schauen wir uns in diesem Beitrag an.

Wenn du nicht weißt, ob deine Figuren so funktionieren, ob sie stark genug sind, dann melde dich gerne bei mir.

Deine

1 Kommentar zu „Figurenentwicklung Teil 1“

  1. Ein toller Beitrag! Ich liebe es ja Figuren zu erschaffen und mich dabei auch einfach ein wenig an meinem Umfeld zu bedienen. Es gibt so tolle Dinge, die man dann herausfindet. Daher schreibe ich wohl auch selbst so langsam, weil ich so lange brauche, meine Figuren kennenzulernen. Am Anfang erscheint es mühsam. Aber es gibt ganz gute Tricks und Kniffe, die einem helfen können, seine Figur aufzubauen. Vielleicht sollte ich auch mal darüber schreiben 🙂 Ich liebe den Beitrag!

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