Figurenentwicklung Teil 2 – Defizit, Want und Need

Wir haben uns bereits angesehen, welche Möglichkeiten es gibt, Figuren zu entwerfen, die deine Leser und Leserinnen berühren. Du kannst es hier noch einmal nachlesen.

Aber was, wenn deine Figur immer noch … na ja … irgendwie langweilig ist? Und ich sage dir, es gibt wirklich nichts Tödlicheres für deine Geschichte, als Figuren, die nicht aktiv werden. Da kann die Handlung und das Setting noch so großartig sein, die Figuren sind es, die die Geschichte tragen. Menschen interessieren sich für nun mal für Menschen und ja, dein Held kann am Anfang der Geschichte niedergeschlagen sein und eher passiv. Im Laufe der Geschichte MUSS sich das jedoch ändern. Sonst bleibt dein Protagonist ein Spielball des Schicksals und das will wirklich niemand lesen. Aber wie schafft man das?

Indem wir uns darüber klar werden, was die Figur will und was sie tatsächlich braucht.

  • Du hast eine Figur. Am Anfang der Geschichte fehlt ihr etwas. Ihr Leben kommt ihr vielleicht sinnlos vor. Sie sieht keine Perspektive für sich. Das ist das Defizit.
  • Deine Figur will diese Lücke natürlich füllen. Vielleicht will sie sich umbringen, weil ihr das Leben nicht mehr lebenswert erscheint. Das ist das, was sie vordergründig glaubt, was sie braucht. Ihr Want.
  • In Wirklichkeit braucht sie aber etwas ganz anderes. In unserem Beispiel könnte es eine Aufgabe sein, die ihr Leben wieder mit Sinn füllt. Et voilà: hier haben wir auch schon das Need.

Werfen wir einen Blick auf den Künstler Alex, der gerade in einer Schaffenskrise steckt:

  • Defizit: Alex ist ein junger Künstler, der sich in seiner Kreativität blockiert fühlt. Früher sprudelte er vor Ideen und seine Kunstwerke fanden immer Anerkennung. Doch seit einigen Monaten ist er wie gelähmt, er kann keinen Pinselstrich mehr setzen, ohne ihn sofort wieder zu bereuen. Er fühlt sich leer und sieht keinen Sinn mehr in seiner Kunst und in seinem Leben. Diese kreative Blockade lässt ihn an allem zweifeln, was ihm einst wichtig war.
  • Want: Alex glaubt, dass er aus dieser Blockade nur herauskommt, wenn er seine alten Werke zerstört und sich komplett von seiner Vergangenheit als Künstler löst. Er denkt, dass er einen radikalen Schnitt braucht, um wieder frei zu sein. In seiner Verzweiflung plant er, seine Gemälde zu verbrennen und alle Spuren seiner künstlerischen Karriere zu vernichten.
  • Need: Was Alex wirklich braucht, ist nicht die Zerstörung seines bisherigen Schaffens, sondern eine neue Inspiration und eine Veränderung seines Umfelds. Durch eine zufällige Begegnung mit einer alten Freundin, die inzwischen als Kunsttherapeutin arbeitet, entdeckt er die heilende Kraft der Kunst auf eine völlig neue Weise. Sie ermutigt ihn, an einem Kunstworkshop teilzunehmen. Dort erfährt Alex eine neue Gemeinschaft, erlernt neue Techniken und er findet wieder einen Sinn in seinem Schaffen. Diese Erfahrung gibt ihm nicht nur seine Kreativität zurück, sondern auch eine neue Perspektive auf sein Leben.

Noch ein Beispiel? Wie wäre es dann mit Lisa, einer erfolgreichen Geschäftsfrau?

  • Defizit: Lisa ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die in einer großen Stadt lebt. Trotz ihres beruflichen Erfolgs fühlt sie sich leer und einsam. Sie hat ihr ganzes Leben der Karriere gewidmet und dabei persönliche Beziehungen vernachlässigt. Die Nächte verbringt sie allein in ihrer luxuriösen Wohnung und fragt sich, ob das alles ist, was das Leben zu bieten hat.
  • Want: Lisa glaubt, dass mehr Geld die Lösung für ihr Gefühl der Leere ist. Sie ist überzeugt, dass sie sich nur noch mehr anstrengen muss, um noch erfolgreicher zu werden, um damit ihre innere Leere zu füllen. Sie setzt alles daran, eine Beförderung zu bekommen und noch mehr zu verdienen, in der Hoffnung, dass das zusätzliche Geld ihr Glück bringt.
  • Need: Was Lisa wirklich braucht, ist Liebe und menschliche Verbindung. Durch eine unerwartete Begegnung mit einem alten Schulfreund, der jetzt als Sozialarbeiter tätig ist, beginnt Lisa, die Bedeutung von zwischenmenschlichen Beziehungen neu zu entdecken. Er lädt sie ein, sich ehrenamtlich in einem Gemeindezentrum zu engagieren, wo sie Menschen in Not helfen kann. Im Laufe der Zeit baut Lisa echte Freundschaften auf und entdeckt die Freude, anderen zu helfen. Durch diese Erfahrungen erkennt sie, dass wahres Glück nicht in materiellen Dingen liegt, sondern in der Liebe und den Beziehungen zu anderen Menschen.

Du siehst, das Prinzip ist immer ähnlich. Die Figur spürt eine innere Leere. Sie versucht diese Leere mit X zu füllen, ist dabei jedoch auf einem Irrweg. Erst Y wird ihr die Fülle schenken.

Diese Methode ist wahnsinnig hilfreich, wenn die Figuren zu passiv sind und sie garantiert gleichzeitig die innere Entwicklung deiner Figur. Eine innere Entwicklung sollten deine Hauptfiguren IMMER durchmachen. Sie sind am Ende der Geschichte andere Persönlichkeiten als zuvor, weil sie etwas gelernt haben. Denke mal an Frodo in “Der Herr der Ringe”:

Hier eine kleine Aufgabe für dich: Überlege, welches Defizit Frodo Beutlin haben könnte. Was ist sein Want und was sein Need?

Und dann probiere das mit deiner Hauptfigur.

Du bist dir unsicher, ob die Entwicklung deiner Figur stark genug ist? Melde dich gerne und wir gehen dem Want und dem Need deiner Hauptfigur auf den Grund.

Herzlich Deine

1 Kommentar zu „Figurenentwicklung Teil 2 – Defizit, Want und Need“

  1. Man sollte auch nie aufgeben, wenn die Figur am Anfang nicht so recht mit dem Need rausrückt. Umso besser man sie kennt, umso deutlicher wird der Need. Sie verraten sich letzendlich alle, weil selbst der beste Schauspieler sich nicht immer verstellen kann 🙂

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